Shirley - stock.adobe.com / Helmut KroissKeine Zweitwohnungen am Ziegelbergweg
Kein Hauch von Vetterleswirtschaft: Der Füssener Bauausschuss bleibt seinem Kurs treu und hält an der Verpflichtung für Erstwohnsitze in den Neubauten dort fest.
Würde man diesem Antrag zustimmen, dann würde noch vor Ende der Sitzung der Begriff „Vetterleswirtschaft“ die Runde durch ganz Füssen machen, warnte Dr. Christoph Böhm (CSU) im Bauausschuss. Dieser Gefahr setzte sich das Gremium nicht aus.
Einstimmig lehnten es die Ausschussmitglieder ab, in Neubauten am Ziegelbergweg Zweitwohnungen zuzulassen. Das Pikante daran: Der Antrag stammte vom Bauunternehmer und Kommunalpolitiker Thomas Scheibel (Freie Wähler), der im Stadtrat bislang den Kampf gegen neue Ferien- und Zweitwohnungen in aller Regel unterstützt hatte. Warum er in seinem Fall eine Aufhebung der Verpflichtung für Erstwohnsitze beantragt hatte, erläuterte Scheibel unserer Redaktion.
Beim Projekt „Wohnen am Ziegelbergweg“ – zwei Mehrfamilien-häuser mit insgesamt 27 Wohnungen – habe man den Anspruch gehabt, „Wohnraum für Einheimische zu schaffen – von Füssenern für Füssener“, versichert Scheibel: „Deshalb haben wir unser Bauvorhaben im ersten halben Jahr ausschließlich an Einheimische vermarktet und auswärtigen Interessenten bewusst kein Angebot unterbreitet.“ Ferienwohnungen waren kategorisch ausgeschlossen, zudem verpflichtete sich das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Stadt im städtebaulichen Vertrag zusätzlich zu einer Erstwohnsitzbindung.
Um attraktiven Wohnraum für Familien zu schaffen, „haben wir überdurchschnittlich große Wohnungen mit rund 120 Quadratmetern realisiert und gleichzeitig höchste ökologische Standards umgesetzt: Photovoltaikanlage, Luftwärmepumpe, begrünte Fassaden und Dächer sowie eine eigene Stromtrasse für E-Mobilität sind Teil des Konzepts“.
Trotz enormer Herausforderungen – dem Ukrainekrieg, elf Zinserhöhungen, massiv steigenden Baukosten und einem schwierigen Förderumfeld – sei es gelungen, über 80 Prozent der Wohnungen an Einheimische als Erstwohnsitz zu verkaufen. „Das zeigt, dass unser Konzept grundsätzlich aufgegangen ist“, so Scheibel. Auch die derzeit noch fünf verbliebenen Wohnungen würde man gerne an einheimische Käufer vergeben – doch die sind momentan offenbar nicht in Sicht. „Da das Projekt nun abgeschlossen ist und Leerstand oder fortlaufende Zinsbelastungen die Preise weiter in die Höhe treiben würden, halten wir es für den richtigen Zeitpunkt, die Erstwohnsitz-verpflichtung aufzuheben, um die Vermarktung der letzten Einheiten wirtschaftlich abschließen zu können“, teilt er mit. Zudem sei eine derart weitgehende Bindung „rechtlich umstritten, da sie tief in die Wohn- und Eigentumsfreiheit eingreift“.
Da im städtebaulichen Vertrag keine zeitliche Befristung der Erstwohnsitzverpflichtung fixiert ist, stellte das Unternehmen den Antrag auf Aufhebung dieser Verpflichtung – es sollten also auch Zweitwohnungen möglich sein. Im Füssener Bauausschuss wurde Scheibels Name nicht genannt, doch jedem Kommunalpolitiker war klar, um wen es ging. Das Wegbrechen von Fördermitteln für die Neubauten und weitere Punkte bedauere man zwar, hieß es im Ausschuss mehrfach. Aber man könne das unternehmerische Risiko und die Verantwortung nicht einfach auf die Kommune übertragen – zumal der städtebauliche Vertrag auf Vorschlägen des Bauherrn beruhe, wie Bürgermeister Maximilian Eichstetter (CSU) informierte. Man habe dem Unternehmen also keine „Pistole auf die Brust gesetzt“, so Martin Dopfer (Füssen-Land).
Vor allem eine Befürchtung hatten die Kommunalpolitiker: Würde man in Scheibels Fall vom harten Anti-Zweitwohnungs-Kurs abweichen, könnten sich darauf andere Bauträger berufen. „Wir versuchen seit Jahren, Zweitwohnungen zu verhindern“, erinnerte Bürgermeister Eichstetter. Stimme man diesem Antrag zu, „dann könnte was auf uns zurollen“, sagte er mit Blick auf 350 Wohnungen, die in Füssen in naher Zukunft errichtet werden sollen. Wer dann Wohnungen nicht verkaufen könne, werde sich auf den vorliegenden Fall berufen und Zweitwohnungen einfordern – das aber wollte niemand im Ausschuss. „Wir brauchen eine klare Linie“, forderte auch Christoph Weisenbach (CSU).
Wohl nicht nur deshalb verstummten im Ausschuss jene zaghaften Stimmen, die anfangs dem Antrag gegenüber noch aufgeschlossen zu sein schienen. Denn würde man dem vorliegenden Antrag zustimmen, wäre wohl umgehend die Rede von „Vetterleswirtschaft“ gewesen, wie CSU-Stadtrat Böhm am Ende der Debatte warnte. Und auch das wollte offensichtlich niemand im Ausschuss.
